Dienstag, 24. November 2009

Dienstagszeit ist Blogschreibzeit und deshalb kommt hier ein kleines Update from Europe Northeast. Ja, also an alle erstmal: Vielen Dank fuer alle Geburtstagsmails,-nachrichten,-SMS und Anrufe. Hat mich sehr gefreut, dass ihr mich doch alle nicht vergessen habt. Und meine Eltern erst recht nicht. Die haben mich nämlich letzte Woche zu meinem Geburtstag besucht und ich habe ihnen im Gegenzug mal eben kurz Litauen, bzw. das, was ich bisher von Litauen kenne, im Schnelldurchlauf gezeigt. Zu meinem Geburtstag. Den habe ich irgendwie gar nicht mitbekommen. Morgens erstmal schön Brunchen mit Muttern und Vattern, dann zur Arbeit. Erst denke ich, dass sie meinen Geburtstag vergessen haben, dann stehen auf einmal doch alle Kids mit einem selbstgebastelten Plakat vor mir und singen mir ein "Su gimtadieniu'', also die litauische Variante von ''Happy birthday''. Ich belohne sie mit ein paar deutschen Kindergeburtstagsspielen. Topfschlagen finden solche Kinder ja sowas von geil. Und erst Schokoladenessen. Da gehen die Kids völlig steil. Ich bekomme dann eher frei, weil das Zentrum aus Schweinegrippe-Gründen sowieso am Freitag früher schließt. Zur ''Kielauniu grippa'', also zur Schweinegrippe später noch mehr, das ist hier nämlich alles ein bisschen krass. Zurück zu meinem Geburtstag. Abends erstmal schön litauisch essen in Vilnius mit meinen Eltern und dann gehts auf in Katjas Wohnung. Da warten schon Kibras und Tomas (Monika aus Elektro-City nicht, die ist schweinegrippengeschädigt). Die zwei Jungs waren so gnädig und haben mir ein Geburtstagsbrot, jaja, keinen Kuchen gekauft und ich darf 20 Kerzen auspusten. Katja beschenkt mich auch ordentlich und dann sind da noch die vier anderen FÖJlerinnen, die fürs Wochenende aus Litauen/Nord bzw. Estland/Süd zu Besuch sind. Zu acht gehen wir erst mal in die Play-Bar und dann noch später in den Bix-Club, wo ich noch auf andere Freiwillige treffe. Ganz schön, aber auch ganz schön anders, den eigenen Geburtstag nicht im vertrauten Kreis, sondern mit quasi einem Haufen von fremden bzw. semi-fremden Menschen zu verbringen. Samstag und Sonntag zeige ich meinen Eltern noch Trakai und abends fahren wir ins Hotel nach Kaunas, weil die Zwei am Sonntagmorgen schön früh fliegen. Ich kann euch sagen, dass es ziemlich lässig ist, nach zwei Monaten Freiwilligen-Wohnung-Leben in einem Luxus-Bett aufzuwachen und dann einen auf "Ich putze mir die Zähne auf dem Hotelbalkon mit Blick auf Kaunas'' zu machen. Ja, es war dann sowieso unklar, ob ich diese Woche überhaupt arbeiten muss, weil Elektro-City mittlerweile in Schweinegrippehausen umbenannt werden kann. In den Schulen, das ist wohl in ganz Litauen so, sind manchmal 50 Prozent der Kinder krank; alle Schulen, Kindergärten und u.a. auch mein Zentrum arbeiten diese Woche nicht und haben Quarantäne-mässig geschlossen. In Elektro-Ci....ääh, Schweinegrippenhausen laufen die Menschen auch echt mit Mundschutz durch die Gegend und auch wenn ich das manchmal ein bisschen affig finde und so weiter. Dieses Schweinegrippen-Dingen ist hier echt ein Epidemie. In Litauen gibt es den Impfstoff nicht. Deshalb haben die Menschen hier noch mehr Angst. Also mache ich mich am Montagmorgen wegen Schweinegrippen-Frei (früher war ich froh, wenn ich Schneefrei oder Schneechaosfrei hatte :-)), auf nach Vilnius. Hier bin ich seit gestern morgen und fotographiere ein bisschen in der Stadt, hab' mich mit neuem Malzeug eingedeckt und sitze quasi schon auf heißen Kohlen. Denn heute abend gehts ab nach Tallinn. Bis Sonntagabend also Estland, ich werde wohl auch noch 'nen Tag nach Helsinki mit der Fähre fahren und hoffentlich auch noch den großen Nationalpark besuchen können...

Dienstag, 17. November 2009

Zwei Wochen weiter...zwei Wochen mehr crazy Litauen mit einer ordentlichen Portion Arbeitsfrust und dann aber auch neuen Ideen.
Von meinen Aktivitaeten her waren die letzten 14 Tage eher ruhig, wenn auch trotzdem recht toll. Vor zwei Wochen ging es mit dem Zentrum in den Indianerpark. Kleine Zugabe von Petrus: Dicke Schneeflocken rieselten den ganzen Tag vom Himmel und wir standen mit einem Indianer im Nirgendwo von Litauen in seinem Doerfchen. Weil es so schoen schneite, gab's fuer die Kinder noch ne Runde Schlittenhundfahren zur Belohnung, die dieser Indianer irgendwie auch in seinem Doerfchen hatte. Die Illusion bei Kindern zu erwecken, dass Indianer Schlittenhund fahren erschien mir recht lustig und am Ende des Trips ins Nirgendwo durften wir Teacher bzw. ich Freiwillige auch noch ne Runde durch den Wald heizen mit diesen Schlittenhunden. Sehr geil. Als ich dann nach der Arbeit noch schnell in den Supermarkt gehuepft bin, hab ich mich die ganze Zeit gewundert, warum mich alle so doof angucken. Naja, wurde mir dann klar, als ich am Obstregal stand. Mein ganzes Gesicht war naemlich noch schoen mit Indianerfarben bemalt. Da haette ich wahrscheinlich auch so geguckt...
Das Wochenende verbrachten Katja und ich dann zum ersten Mal in Kaunas. Petrus meinte das Ganze nicht so gut mit uns und liess uns im Regen stehen. Was wirklich schade war, weil die Altstadt von Kaunas echt so ein kleiner Rohdiamant ist.
Dass wir Rohdiamanten in Sachen Backen sind, haben Katja, Kira (eine Freiwillige aus Vilnius) dann auch noch bewiesen. Getreu dem Motto:"Verbannt den Kuemmel aus litauischen Brote, weil er einfach nur aetzend ist" haben wir unser eigenes Brot gebacken. Hat sehr lange gedauert, aber nachts um halb eins konnten wir von unserem ersten selbst gebackenen Brot kosten. Endlich ohne Kuemmel...
Dann noch zum ersten Mal Chor, wo ich bisher nicht hinkonnte, weil nicht die richtige Lehrerin da war. Ich sing da also bei der Probe mit und mach schoen einen auf: Litauisch, kein Problem fuer mich. Danach will ich mir das Ganze natuerlich in der Messe anschauen. Hm. Doof nur, dass ich auf einmal im Chor in der Kirche sitze und dann einfach mitsinge. War wohl irgendwas ueber Jesus, aber ich habe mehr so die Toene gesummt, als irgendeinen vernuenftiges litauisches Wort gesungen. Schoen war es trotzdem...
Das vergangene Wochenende kann das als Gruendungswochenende der legendaeren "MERGAITES"-Runde bezeichnet werden. Wir Maedels, die wir in Vilnius alle EVS machen plus Elektro-City-Julia haben unseren kleinen eigenen Club gegruendet, die Mergaites, also "Maedels"-Runde naemlich und haben uns jetzt vorgenommen, uns oefters mal alle zusammen zu treffen und etwas Lustiges zu starten. Am Freitagabend endete das mit Gurkenmasken und Grey's Anatomy-gucken bis nachts um halb drei...Dann konnten Katja und ich auch zum ersten Mal mit den Elektro-City-Leuten in das Haus von Monikas und Kibras Grossvater. Das befindet sich ein bisschen ausserhalb von Elektro-City und ist so ein kleines Holzhaus, das die ganze Familie von innen und aussen so richtig geil renoviert hat...Sauna inklusive. Einfach nur sehr perfekt fuer einen entspannten Abend...

Entspannung und gute Laune hatte ich in den letzten zwei Wochen auch dringend noetig, weil bei der Arbeit Vieles ueberhaupt nicht geklappt hat. Meine Sport-AG hat nicht funktioniert und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man leider nicht mit allen Kindern etwas zusammen machen kann. Weil wegen diese Kinder sind in der grossen Gruppe einfach nur ein grosser Haufen von lauten, schwer kontrollierbaren kleinen Menschen, die einem den letzten Nerv rauben. Das hat mich ziemlich deprimiert und wir haben in einer Runde mit allen Sozialarbeiterinnen darueber geredet. Sie haben mir geraten, ab jetzt wirklich nur noch ein ganz paar Kinder auf einmal zu nehmen und mit ihnen etwas zu starten. Das habe ich dann auch die ganze letzte Woche gemacht und es hat wirklich besser geklappt. Wohl habe ich mich mit der ganzen Geschichte aber immer noch nicht gefuehlt, weil ich desoefteren einfach denke: Boah, das schockt hier alles nicht so. Nach einem Durchhaenger am Wochenende ist dann aber wieder meine "Okay, wenn das hier nicht toll ist, dann musst du halt was aendern"-Attituede in mir erstarkt und ich habe jetzt einen neuen Masterplan, den ich auch mit Agne, meiner Mentorin besprochen habe und den sie sehr gut fand. Erstens mache ich mit den Kindern eine Art Fotoprojekt, das sie Kids in ihrer Stadt zeigen soll. Das Ganze wird dann noch mit kleinen Texten von den Kindern ergaenzt, die sie dazu schreiben, was ihnen hier so gefaellt und was auch nicht. Dieses Projekt werde ich bis Ende meines Dienstes machen und es soll dann fuer immer daran erinnern, dass ich hier als Freiwillige war...
Dann gibt es ab jetzt ein Mal pro Woche den "Dienas su savanore", den Freiwilligen-Tag. Damit soll ein Kind, das sich in der Woche besonders gut benommen hat, belohnt werden. Es darf sich dann an einem Tag der Woche etwas Besonderes ausdenken, was es machen moechte und ich begleite das Kind dann dabei. Das kann sein, dass wir Zwei dann zusammen Schlittschuhlaufen gehen, kochen oder irgendwas anderes machen, am besten immer ausserhalb des Zentrums...
Und dann werde ich ab jetzt einen Tag pro Woche gar nicht mit den Kindern arbeiten, sondern an meinem eigenen Buch (haeh, haeh, Julia geht unter die Schriftsteller:-)). Das erstelle ich zum Thema EVS, also Europaeischer Freiwilligendienst hier im Zentrum und dazu kontaktiere ich ehemalige Freiwillige und befrage sie, bzw. schreibe so eine Art von kleinem Ratgeber fuer alle kommenden Freiwilligen hier, der ihnen helfen soll, hier das Bestmoegliche fuer sie herauszuholen. By the way ist das Ganze fuer mich ganz interessant, weil ich meine eigenen Erlebnisse und so weiter auch einfliessen lassen kann und fuer die Arbeiter hier ist es ganz toll mal zu sehen, was Freiwillige hier gut oder auch nicht so gut finden. Weil das eine ziemlich aufwendige Sachen werden wird, kriege ich einen kompletten Tag in der Woche fuer dieses Projekt frei und ich habe sehr, sehr viel Bock auf diese Arbeit... Und ich hoffe, dass mir ein bisschen von dem, was ich jetzt so vorhabe, gelingt...
So, das war jetzt hoffentlich nicht zu viel auf einmal. Morgen kommen dann meine Eltern fuer ein paar Tage (warum nur, warum nur, hat Julia etwa Geburtstag??) zu Besuch. Supi...

Dienstag, 3. November 2009

Am Wochenende haben Katja und ich dann also auf den Lats gehauen (Achtung, Wortspiel :-)) und waren in Riga. Dazu waere es allerdings fast nicht gekommen, weil mein Bus von Elektro-City nach Vilnius erst mal in den Feierabendverkehr geraten ist und der ganze Bus in Vilnius auf mich warten musste...
Naja, angekommen in Riga ging es erstmal zu unserer Couchsurfing-Gelegenheit Ieva. Diese nette Dame liess uns ihrer Wohnung pennen und hat das ganze Wochenende lang gar nicht mehr aufgehoert, uns zu bekochen. Am Freitagabend gab es erstmal indische Suppe und lecker Fleisch und als wir am Samstagmorgen aufgestanden sind, stand das Fruehstueck schon parat. Sehr nett und obendrein konnte man sich mit Ieva auf Englisch auch noch sehr gut unterhalten.
Den Samstag verbringen wir dann in Riga-City. Jeder, der mal eine schoene nordosteuropaeische Stadt sehen moechte, sollte dahin. Auf der einen Seite gibt es das kleine, aber feine Vecriga (Riga Altstadt). Die Altstadt ist ja oefters mal das Kapital einer Stadt und dementsprechend auch schoen aufgehuebscht. Auf der anderen Seite kann man aber auch ueber den Centraltirgus (Zentralmarkt) schlendern und bei Frauen mit kleinen Kroenchen auf dem Kopf (das kommt noch aus Sowjetzeiten) den Wocheneinkauf oder was auch immer besorgen... Die Sonne scheint den ganzen Tag lang und erst als Katja und ich gegen Abend ins deutsch angehauchte Viertel Megaparks fahren, wird es auf einmal kalt. Und zwar so richtig. Und um fuenf Uhr steht dann auch schon der Mond am Himmel. Dafuer kriegen wir Zwei allerdings einen super Panoramablick auf den See im Naherholungsgebiet. Haette man wirklich ein Gemaelde von malen koennen, so schoen war das.
Abends kochen wir dann im Gegenzug fuer Ieva und machen uns spaeter auf in die Stadt. Es bleibt eher ruhig, was das Nachtleben angeht, weil Katja und mir das Depo, eine huebsche, alternative Kneipe am besten gefaellt...
Am Sonntagmorgen verabschieden wir uns von Ieva und machen uns auf nach Jurmala. Das ist der Touri-Ort, der sich nur 30 Minuten entfernt von Riga befindet und an der Ostsee liegt. Im Sommer wird hier gebadet. An Allerheiligen spazieren hier Horden von russischen Oelscheichen (zumindestens sahen diese Menschen mit ihren Pelzen so aus) ueber den zugefrorenen Strand. Wir picknicken am Strand und haben mal wieder das grosse Los in Sachen Panorama gezogen und Katja kommt zu dem glorreichen Schluss, dass Lettland das Holland von Litauen ist: Man ist schnell da, bist schnell an der See und alle Menschen machen sich am Wochenende nach Lettland auf. Leider ist es so unendlich kalt, dass Katja und ich uns schon frueher wieder auf nach Riga machen und uns mit ein paar Lats (lettischen Waehrung) noch in ein Cafe setzen, um dann abends den Bus zurueck nach Vilnius zu fahren.
Es war wirklich ein schoenes Wochenende und es ist schon Wahnsinn, einfach mal fuer nen Appel und ein Ei nach Lettland rueberfahren zu koennen...